Limetten und Kastrieren

Hanni • 31. Dezember 2022

Harte Sitten und weiche Hände


Nächste Farm, nächstes Glück: so hatten wir uns das vorgestellt. Cowboys auf ihren Pferden, harter australischer Slang, Countrymusik und jede Menge Bier. Haben wir alles auf unserer Limettenfarm bekommen :-). Aber von vorn:


Wir haben unsere nette Mangofarm bei guten 45 Grad verlassen und sind ca. 100 km weiter südwestlich gefahren zur Stannery Hills Farm. Dort erwarteten uns ca. 38 Grad, was für eine Erleichterung, zwei sehr nette Wwoofer (der deutsch-vietnamesisch Trung und der belgische Thomas), ein sehr witziger Farmer, der als erstes unsere Rucksäcke in eine seiner fünf Gefriertruhen gepackt hat, um ja keine Bettwanzen zu bekommen, ein junger Cowboy wie aus der Werbung (Sohnemann Jordi) und die restliche Familie inklusive Besuch der fast 80-jährigen Schwiegereltern aus Großbritannien, die nicht so viel zu tun hatten und sich mit uns in den nächsten Tagen sehr gerne unterhalten haben, wären wir gearbeitet haben.


Gewohnt haben wir hier in einem eigenen kleinen Cottage (so heißen hier schöne Wellblechhütten, die bemalte Wände haben und ein gefließtes Bad!), Tobi und ich in einem Stockbett, gemeinsam mit einem der Wwoofer im Zimmer. Klimaanlage war übrigens kaputt. Und wir Wwoofer hatten einen eigenen riesigen Kühlschrank und ein nettes Wohnzimmer mit Küche. Eine kleine Veranda, eine eigene nicht-funktionierende Waschmaschine - sie hat Tobi den letzten Nerv geraubt - und es lagen sogar Arbeitsklamotten für uns bereit, wie cool!


Der erste Tag war sehr entspannt, wir sind bei Jordi auf dem dicken Auto auf der Ladefläche über die Farm gefahren und haben ab und an nasse Tücher gehalten, wenn er Zaunlatten abgeschweißt hat. Damit kein Feuer ausbricht! Die Hunde auf der Farm habe ich ausgiebig gestreichelt, bis mir der Farmer mit einem zuckersüßen Lächeln erklärt hat, dass das ganz schlecht ist, weil es Arbeitshunde sind. Ich habe zunächst seinen Ton und den Inhalt nicht zusammengebracht, er hat immer so nett gelächelt. Bis ich verstanden habe, dass wir die Tiere wirklich nicht streicheln sollen, weil es Jagdhunde sind, die die Familie beschützen und sich durchaus im Blut vom Wallabys wälzen. Naja, was soll ich sagen...in den nächsten Tagen sind sie aber immer wieder gekommen und ich konnte ja schlecht ohne Hallo-Sagen an ihnen vorbeigehen :-).


So, jetzt aber zu unseren weiteren Tätigkeiten: morgens um sieben gings los, die drei Jungs und ich sind mehrfach Richtung Limettenplantage gestartet und haben stundenlang in der Hitze gepflückt. Nicht so einfach, man muss nämlich sehr genau schauen, welche Früchte reif sind! Und teils sitzen die dann noch weiter oben, dann braucht man einen Stock mit Abschneidevorrichtung. Zwischen 10/11-15 Uhr haben wir immer Pause gemacht, es ist einfach zu heiß zum Arbeiten in dieser Zeit. Abends dann nochmal bisschen pflücken, oder - wen wunderts - Mangos pflücken und verarbeiten für den Privatgebrauch. Nur, dass man hier eine dreimal so schnelle Methode gefunden hat, Mangofleisch von der Mango zu trennen. Wir waren etwas konsterniert über unsere Arbeiten der letzten Woche auf der Mangofarm...


Irgendwann hat unser Farmer beschlossen, dass es derzeit zu wenig Geld für seine super sexy Bio-Limetten gibt und dass wir jetzt nicht weiterpflücken. Leider ist der junge Farmersohn erst langsam dabei die Farm zu übernehmen und sah sich vor der Aufgabe, vier motivierte, tatkräftige Wwoofer zu beschäftigen. Dass wir die nächsten Tage ein riesiges Feld von kleinen Bäumen säubern würden und das mit zwei Äxten, hätte ich jedoch nie für möglich gehalten. Mit Blasen, Rückenschmerzen, Halb-Hitzschlag und völlig demotiviert, als der Farmer zu seinem Sohn sagte, dass man das ja auch hätte bei Regenwetter ganz einfach mit dem Traktor machen können, haben wir aber immerhin ordentlich das Feld gerodet. Ich warte noch auf die Bestätigung, ob dort jetzt wirklich Heu gemacht wird oder wir einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aufgesessen sind... Na, unseren Muskeln hat es nicht geschadet.


Eines Abends kamen Nachbarn vorbei, mit denen wir uns beim Feierabendbier (ich habe zum ersten Mal verstanden, wie schön ein kaltes Bier nach getaner Arbeit sein kann) unterhalten haben. Sie erzählten von ihrer "kleinen" Farm und dass sie am Wochenende ihre neuen Kälber kastrieren und mit einem Brandmal versehen würden. Die Nachbarin Cathy hatte Jahre in Deutschland gelebt und wir haben sehr nett geplauscht. In Australien glaubt man übrigens, dass derzeit alle Menschen in Deutschland frieren, weil sie sich die Heizung nicht mehr leisten können!

Also fragte ich unseren Farmer Graham, ob wir nicht Cathy besuchen könnten, um eine Rinderfarm zu sehen. Er sagte dann am nächsten Tag im Auto, als ich gefragt habe, was wir heute machen: wir werden heute viel Blut sehen, wenn die Nachbarn die Kälber kastrieren und die Hörner abschneiden. Tobi hat sich nur noch gekringelt, als ich eine Diskussion über die Hörnerfrage angefangen habe und gefragt habe, ob wir das heute wirklich machen.  Scheinbar wirke ich manchmal etwas naiv, unser Farmer hat mich gefragt, ob ich das wirklich sehen will. Ich sagte: I may be soft, but I want to see the reality.


Um es kurz zu machen, es war ein faszinierendes und tatsächlich nicht abschreckendes Erlebnis. Die beiden Famerfamilien (jeweils drei erwachsene Kinder im selben Alter) haben so reibungslos, schnell und ruhig zusammengearbeitet, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass so ein Rinderleben in Australien ziemlich cool sein muss. Wir fuhren durch das Outback und an der riesigen Weide angekommen haben wir mit den dicken Range Rovern (mit uns auf der Ladefläche) ganz ruhig die Kühe zusammengetrieben.


In einem kleinen Gehege werden dann die Kühe und die Kälber getrennt, die Kühe warten dann auf der Weide auf ihre Kälber, die bis auf diesen einen Tag immer bei ihnen sind und von ihnen zwei Jahre lang aufgezogen werden. Ich durfte die Aufgabe wahrnehmen die Kühe zu zählen, als sie gegen Botulismus geimpft wurden. Bis auf einen Stier habe ich das auch gut hinbekommen. Dann kamen die Kälbchen und mir war etwas schwummerig. Sie hatten uns gewarnt, dass die Kastration ohne Betäubung von Statten geht. Ein Tierarzt wäre viel zu teuer - und aus ihrer Sicht auch unnötig.


Das lief folgendermaßen: die Kälbchen gehen durch einen Gang und werden einzeln hintereinander in eine Metallvorrichtung geklemmt und quer auf den Boden gelegt. Der Farmer der Rinderfarm (Cowboyhut, Jeans, Zigarette im Mund, verhärmtes Gesicht, schelmisches Grinsen) hatte ein kleines desinfiziertes Skalpell in der Hand und hat dem Kalb tatsächlich die zwei Hoden herausgeschnitten. Klingt gruselig, aber das Kalb hat meisten nicht einmal gezuckt, weil es so schnell ging. Auch die Brandzeichen haben die meisten Kälber wohl kaum gespürt, nur die kleineren (was nicht toll war, aber schnell vorbei) Die Impfung fanden die meisten allerdings nicht angenehm und was wirklich nicht schön war, ist das Herausschneiden der Hörner und das Abzupfen von Ohrteilen zur Markierung. Das habe ich auch nicht ganz verstanden, aber scheinbar gibt in es Australien massenhaft Rinderdiebe, die die Brandmarkierungen fälschen und man braucht deshalb mehrere Markierungen an einem Rind. Und die Hörner? Im Gegensatz zu unseren braven Kühen (die Farmer wollten nicht glauben, dass wir ernsthaft Kühe mit Hörnern gestreichelt haben), die Menschen gewohnt sind, sind die australischen Rinder sehr wild. Sie sind kaum Menschen gewöhnt und mit Hörnern wäre jede Begegnung ein hohes Risiko. Zudem dürfte es auch zu ziemlichen Verletzungen innerhalb der Herde kommen. Naja, so ganz behagt hat mir dieser Teil nicht, aber man muss sagen, dass jedes Kalb nach ca. 30 Sekunden in der Metallhalterung aufgesprungen und davongehüpft ist. Danach kam keinerlei Klagelaut mehr und die Herde ist ruhig von dannen gezogen. Wenn Tierhaltung, dann vielleicht doch am ehesten noch so!


Limetten pfücken, Rinder kastrieren und Bäume ausreißen - eine interessante Woche im australischen Busch. Wie immer ohne Internet, stattdessen mit netter Gesellschaft, selbst gemachtem Butterscotch, internationalen Gesprächen und viel Schweiß. Mal sehen, wie Weihnachten in Australien wird!



  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
  • Bildtitel

    Untertitel hier einfügen
    Button
von Hanni 7. Januar 2024
Ein Update
von Glücksbärchis 29. Juli 2023
Wenn ein Paradies die Erwartungen übertrifft
von Hanni 19. Juli 2023
Zwillinge, Dusty und Biertasting
von Eddy 17. Juli 2023
aus Sicht von Eddy
von Hanni 16. Juli 2023
Hawke's Bay, Rotorua, Bay of Plenty
von Hanni 5. Juni 2023
Wwoofen auf zwei Inseln
von Hanni 28. Mai 2023
wenn man sich am anderen Ende der Welt trifft
von Hanni 10. Mai 2023
Grün, großartig, Greenwashing in Neuseeland
von Hanni 9. Mai 2023
Ein wahres Witzgespräch
von Hanni 22. April 2023
Home away from home
Show More