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Goodbye Aotearoa

Hanni • 19. Juli 2023

Zwillinge, Dusty und Biertasting


Als wir uns verabschieden wollten, ging das leider nicht ganz wie geplant. Denn Jack hing an Tobis Bein und hat sich einfach mit jedem Schritt mittragen lassen. Inklusive 5-jährigem Geheul: I don't want that you leave! Stay here!


Derselbe kleine Jack, der uns  mit seiner Zwillingsschwester Elli die Tage zuvor ein ganz bisschen in den Wahnsinn getrieben hat. Naja, so haben wir auch noch auf Englisch gelernt zu schimpfen ;-).


Das hört sich spannend an? Es kommt noch viel besser; denn Jack und Elli sind nur die zwei jüngsten Mitglieder einer sechsköpfigen deutsch-neuseeländischen Familie, die unsere letzten Gastgeber auf Neuseeland waren. Dukessa ist schon als kleines Kind mit ihrer Familie von Deutschland nach Neuseeland ausgewandert - doch sie versucht, ihr deutsches Erbe zu bewahren und hat jahrelang für ihre Kinder deutsche Aupair-Mädchen eingestellt und mit ihren Kindern deutsch und englisch gesprochen. Die Aupairs war auch nötig, denn Dukessa hat uns erzählt, dass sie die Chefin für den Hochwasserschutz in Auckland war - bevor sie mit ihrem Mann beschlossen hat, dass sie ein anderes Leben führen wollen. Mit mehr Zeit für ihre Kinder und vor allem auf dem Land. Sie konnten sich ein Wahnsinns-Anwesen kaufen, circa eine Stunde nördlich von Auckland; die Ziegen des Schweizer Vorbesitzers gleich inklusive. Daher werden jetzt in der Früh sieben sehr nette Ziegen gemolken und die Milch für den Privatgebrauch verwendet.


Nach unserer fantastischen Erkundung des Hohen Nordens von Neuseeland mit sturmflutartigen Regenfällen haben wir uns also für unsere letzte Woche in Neuseeland ein großes Familienanwesen als Wwoof-Station ausgesucht mit Ziegen, einem tollen Gemüsegarten, einem eiskalten Pool und vor allem vier absolut beeindruckenden Kindern und zwei sehr netten Eltern.


Die faszinierendsten Erfahrung, die wir dort gemacht haben, war die des Babysittens für einen Abend. Dukessa hat uns gefragt, ob wir bereit wären, einen Abend auf die Kinder aufzupassen, dann könnte sie und ihr Mann Dan mal zusammen Essen gehen. Tobi und ich können ja schwer nein sagen, also haben wir genickt und waren dementsprechend aufgeregt. Wir kannten die vier Kinder, dreizehn, elf und zweimal fünf Jahre alt, gerade mal ein paar Tage - und dann das Ganze noch auf Englisch; und zwei Hunde, davon einer sehr gechillt, der andere ein Ausbund an Energie und Blödsinn im Kopf. Prost Mahlzeit. Gottseidank waren die Eltern zum Abendessen noch da, denn das war der Zeitpunkt, an dem Jack gerne Quatsch gemacht hat und nebenher immer das Essen vergessen hat. Aber was dann passierte, hat uns völlig überrascht. Die Eltern verliesen das Haus, die älteste Schwester brachte die Zwillinge ins Bett und wir schauten mit dem elfjährigen William noch seine Star Wars-Serie. Um kurz vor neun sagte er (ehrlich!): "Für eine zweite Serie ist es schon zu spät, ich muss jetzt dann ins Bett. Soll ich euch noch etwas zum Ansehen in der Mediathek suchen?" Er zappte uns noch zu einer alten Serie, die wir schon ewig mal wieder sehen wollten und verschwand ins Bett. Einmal schrie der kleine Jack nach seinem Kuscheltier, das aus dem Bett gefallen war - Tobi gab es ihm wieder, dann war Ruhe. Und ansonsten haben wir von allen vier Kindern nichts mehr gehört; den ganzen Abend lang, bis die Eltern wieder heimkamen. Und Dusty, der kleine, aufgeregte, schnuffelige Hund? Der wollte auch nur mit uns kuscheln und war ganz brav und zufrieden, wenn wir ihn gestreichelt haben ;-).


Die Kinder waren übrigens mit Abstand die selbstständigsten Kinder, die wir je erlebt haben. Abends hat William immer alle Brotboxen hergerichtet, bevor er wirklich beeindruckend Klavier gespielt hat. Die älteste Tochter hat abends die Kleinsten ins Bett gebracht, manchmal auch im Bad fertig gemacht und jeder hat sein Geschirr brav in den Geschirrspüler geräumt. Elli hat mir (mit kleinem Schemelchen und jede Menge Seifenpulver) beim Abspülen geholfen und um die zwei Hunde haben sich alle ohnehin ganz rührend gekümmert. Der ältere Hund hat sich übrigens auch sehr niedlich um den kleinen Dusty gekümmert - obwohl der ständig spielen und der ältere Hund sichtlich seine Ruhe haben wollte.


Elli wollte auch unbedingt am ersten Morgen, noch vor der Schule, zusammen mit uns die Ziegen melken. Sie ist wirklich extra früher aufgestanden, das war für uns eine große Ehre; und auch eine Erfahrung, die wir immer sehr schön fanden. Kinder freuen sich so sehr, neue Leute kennenzulernen. Für sie bedeutet es keinen zusätzlich Stress, andere Leute in ihrem Leben und Haus willkommen zu heißen. Egal, wo wir hingekommen sind, die Kinder wollten immer Zeit mit uns verbringen, sie wollten uns helfen (dazu kommen wir im Fall von Elli und Jack noch), sie wollten mit uns spielen und uns nach kurzer Zeit nicht mehr gehen lassen.


So, nun aber: bei Dukessa haben wir vor allem ihre Hochbeete neu gefüllt und die Wege zwischen den Beeten mit Steinen aufgefüllt. Sie hatte extra vom Bauhof Schüttgut geholt, das wir mit Schaufel und Schubkarren zwischen die Beete verteilt haben. Es ging vom Anhänger per Schubkarren über die nasse, abschüssige Wiese und dann wieder etwas bergauf. Und Jack hat es geschafft, ständig im Weg zu stehen - was Tobis Geduld mit einem voller Steine beladenen Schubkarren schwer auf die Probe gestellt hat. Und Elli wollte natürlich auch immer helfen. Irgendwann haben wir es aber geschafft, die beiden - jeden Tag, als sie von der Schule heimgekommen sind und sofort zu uns in den Garten gelaufen sind - für vernünftige Arbeiten einzuweisen. Sie haben dann wunderschön das ganze Schüttgut neben den Trittplatten verteilt. Hund Dusty durfte natürlich auch nicht fehlen, er ist immer irgendwo dazwischen gelaufen. Der andere Hund hat sich hingegen immer bredlbreit dahin gelegt, wo ich gerade arbeiten wollte ;-).

Und noch ein Projekt haben wir in Angriff genommen: die Haselnusssträucher im Hühnergehege! Wir haben uns alles im Internet dazu angelesen und dann ging es los mit kleiner Motorsäge und großer Zwickschere. Wir hoffen sehr, dass der Haselnussertrag im nächsten Jahr hervorragend wird (und wir nicht sämtliche Sträucher zerstört haben). Naja, das werden wir erst in ein paar Monaten erfahren! Schön ist aber, dass wir uns so selbstständig gefühlt haben bei dieser Arbeit. Dukessa hat darauf vertraut, dass wir uns gut informieren, wir mit ihrem Werkzeug umgehen können und dann hat sie uns einfach mal machen lassen. Und wir hatten keinerlei Probleme damit - denn Gartenarbeit ist das beste Beispiel für Learning bei doing...


Wie immer waren wir von der großen Gastfreundschaft unserer Gastgeber beeindruckt - auch wenn wir im Lauf der Woche herausgefunden haben, dass wir politisch deutliche Differenzen haben; so fand ich den Rückzug der jungen neuseeländischen Premierministerin ins Private einen sehr mutigen Schritt; kaum jemand in höheren Ämtern gesteht sich und der Öffentlichkeit ein, dass der Arbeits- und Leistungsdruck oft einfach zu viel ist. Unsere Gastgeber waren aber sehr grundsätzlich nicht mit der laufenden Politik einverstanden - sie fühlen sich zunehmenden eingeschränkt durch die Regierung und finden auch, dass zu viele Gruppierungen sozial unterstützt werden, die dies nicht verdient haben. Daher war die Premierministerin ohnehin ein rotes Tuch... Wir haben es in der Woche dann eher vermieden über Politik zu sprechen; hier ist uns doch auch die Sprachbarriere aufgefallen. Und ich mag es generell auch nicht, über Dinge zu diskutieren, bei denen ich mich nicht sehr gut auskenne (wie der neuseeländlischen Politik). Im Alltag aber hat alles sehr gut funktioniert, wir haben die Familie sehr gemocht und ich glaube, Dukessa war froh, dass sie tatkräftige Unterstützung für den Selbstversorger-Garten hatte. Wir haben auch einen Strandausflug mit ihr und den Zwillingen gemacht, inklusive Bierverkostung, als Dukessa uns zu einem Treffen mit einer Freundin mitgenommen hat. Bei diesem Ausflug sind wir erst an einen wellenumtosten Strand gefahren; die Zwilling wollten aber viel lieber mit uns auf den Spielplatz gleich daneben gehen. Auch das haben wir gemacht und, sieh an, Tobi und ich hatten sehr viel Spaß mit den beiden auf einem Trampolin rumzuspringen und ihnen beizubringen, wie man von einem Trampolin zum nächsten kommt. Ich glaube, uns fehlt manchmal das Sorgen-Gen, das Eltern für ihre eigenen Kinder instinktiv haben... und spielen einfach mit ihnen (mit allen Vorzügen: Abenteuer, neues Lernen - und allen Nachteilen: möglicherweise etwas halbsbrecherische Aktionen...).


Ein sehr herzerwärmender Moment ist dann in der kleinen Stadt passiert, als wir vorm Biertasting noch ein bisschen Zeit hatten und zur wunderhübsch angelegten Flusslandschaft gegangen sind. Wir haben uns auf den Steg gesetzt und zusammen riesige Fische angeguckt und dann hat Elli mich angestrahlt und gesagt: "Kann ich dir was zeigen?" Sie dann ihrer kleinen Hand meine Hand genommen und mich rennend mitgezogen bis zu einem kleinen Wasserfall, den wir dann gebührend angesehen haben. Da kannten wir uns gerade so fünf Tage und ich hätte sie am liebsten eingepackt, so süß hat sie gelacht. Wir haben übrigens dann auch noch Sticker von ihr an dem Tag bekommen, Tobi eine Leiter und ich ein Küken (s. Fotos). Es war super...


Alles in allem war es wieder eine spannende, erlebnisreiche Woche - wir haben etwas über Hochbeete gelernt, über Ziegen (ich durfte sogar Mozzarella herstellen, das ist vielleicht heiß für die Finger!), über Haselnüsse und über Familiendynamiken. Und das Ganze auch noch in einer richtig luxuriösen Unterkunft mit einer richtigen Wohnung für uns. Wie immer in tierischer Begleitung; Dusty war mit der süßeste Hund, der uns auf der ganzen Reise begegnet ist! Es war ein schöner Abschied aus Neuseeland - ein Land, in dem wir so viele nette, herzliche, offene Menschen kennengelernt haben. Die mit den unterschiedlichsten Herkunftsgeschichten in dieser einmaligen Landschaft leben und sie bewirtschaften. Auch wenn es bei ihnen selbst manchmal eher wie ein nebeneinander Herleben wirkt - es wäre, glaub ich, eine tolle Idee, wenn die Neuseeländer sich gegenseitig auf ihren Höfen besuchen und sich über ihre wundervolle Lebensgrundlage mehr ausstauschen würden. Das würde die Stimmung im Land, die wir als etwas frustriert und schwierig erlebt haben, vielleicht wieder heben. Denn privat und zu aufgeschlossenen Fremden waren alle unglaublich freundlich und fröhlich.


Ps: Unser Auto konnten wir einfach nicht verkaufen. Wir haben es nicht übers Herz gebracht. Zumindest nicht, es zu Spottpreisen zu verschleudern... und deshalb haben wir es bei einer völlig dubiosen Art Werkstatt, deren Besitzer aber persönlich aber sehr vertrauensvoll wirkte, stehen gelassen. Er wird es dann gegen 20% Provision verkaufen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum unsere Mütter uns einfach nicht glauben wollen, dass das schon klappen wird. Sie sind aber auch nicht Dukessa begegnet - sie ist unsere Rückversicherung, falls das mit dem Autoverkauf nicht klappen sollte. Ich habe sie einmal am Telefon mit AirBnb streiten hören. Ich bin mir seeeeeeeeehr sicher, dass sie dem Autoverkäufer die Hölle heiß macht, wenn er versucht, uns übers Ohr zu hauen!



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