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Apfelvertrauen & Gangkriminalität

Hanni • 16. Juli 2023

Hawke's Bay, Rotorua, Bay of Plenty


Die Hawke's Bay ist der Obstgarten Neuseelands und die Region, wo wir eigentlich zuerst hinwollten. Denn der Obstgarten wurde durch den Zyklon Gabrielle im Februar zerstört und wir wollten helfen. Das ging dann leider nicht, denn es gab keine Fähren (s. letzter Artikel zum Fährdesaster in Neuseeland), so dass wir uns nicht als Helfer*innen anbieten konnten. Wir sind nach unserem Tongariro-Crossing dann durch einige der zerstörten Dörfer und Felder gefahren und waren wirklich entsetzt, wie die Schlammlawinen die gesamte Landschaft völlig verändert haben. Ob sich dort jemals wieder Menschen oder Landwirtschaft ansiedeln, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar.


Dennoch war nicht alles zerstört und unsere nächsten Wwoof-Gastgeber wohnten dort auf einer intakten kleinen Farm in der Nähe von Nelson; die zwei Briten Alistair und Jane. Und auch Christine, Alistairs Mutter wohnte auf dem Grundstück mit ihrem entzückenden Schoßhund Lucy-Lou. Ich habe immer über kleine Hunde gelacht und fand sie irgendwie doof. Aber Lucy war dermaßen niedlich, dass ich sie gleich bei unserer Ankunft hochgehoben und geknuddelt habe. Die Woche bei unseren britischen Gastgebern war wundervoll - ein eigenes kleines Cottage mit Bad und Küche, unterhaltsame Teepausen auf Christines Terrasse mit Christine, die etwas schwerhörig war und wir immer nicht genau wussten, ob es an unserem Englisch oder ihren Ohren lag. Auf jeden FAll können wir UNS JETZT AUCH PRIMA SEHR LAUT AUF ENGLISCH UNTERHALTEN. Alistair und Lucy-Lou waren natürlich auch da. Gearbeitet haben wir durchaus hart, doch das Kompliment am Ende hat sich gelohnt. Jane sagte, wir hätten die Ehre der deutschen Wwoofer wiederhergestellt, sie hätten jetzt neues Vertrauen. Es waren wohl in den vergangen Monaten einige sehr junge Deutsche da, die weder Eigeninitiative, noch Arbeitsinteresse gezeigt haben, sondern vor allem mit ihrem Handy gespielt haben.


Wir hingegen hatten wirkliches Interesse an den zwei Hektar Land, das mit unzähligen Haselnuss-, Walnuss- und Obstbäumen bepflanzt war. Wir haben wilde Rosen entfernt und dabei die tollsten Arbeitshandschuhe der Welt kennengelernt (aus Leder, den ganzen Arm hoch), wir haben Rasen gemäht mit Freischneidern (australisch: Whipper-Snipper :-) ), Zäune aufgewickelt, Walnüsse aufgesammelt und getrocknet und schließlich sogar Apfelbäume geschnitten. Es war ganz faszinierend für uns, dass Alistair nach einer längeren Erklärung uns einfach seine Apfelbäume überlassen hat und wir haben natürlich unser Bestes gegeben. Was im Übrigen verdammt schweißtreibend ist, wenn man ständig die Leiter hoch und runter muss, die richtigen Äste ausfindig macht und sich über die Baumkrone in drei Metern Höhe lehnt und trotzdem nicht an den letzten zu entferndenen Ast kommt. Am Rande erwähnt, kostet es durchaus Nerven, sich mit dem Partner darüber zu kabbeln, warum man jetzt welchen Ast abschneidet oder stehen lässt - wenn eigentlich beide erst eine Stunde Apfelschnitt-Erfahrung haben :-). Aber auch das haben wir gemeistert und hoffen nun, dass an Alistairs Bäumen im nächsten Jahr wieder zahlreiche Äpfel wachsen.

Nach der menschlich super netten und landwirtschaftlich sehr interessanten Woche ging es hoch in den östlichen Norden, mit einem kleinen Umweg über Rotorua, dem geothermalen Zentrum Neuseelands. Rotorua ist auch ein Zentrum der Maori-Kultur und so haben wir uns entschieden, ein sogenanntes Hangi mit Haka-Tanz zu besuchen. Ein Hangi ist ein traditionelles Essen, bei dem in einem Erdloch mittels heißer Steine und Glut Gemüse und Fleisch gegart werden. Das Buffet war unglaublich vielseitig und qualitativ hervorragend; tatsächlich schmeckt das Essen durch den rauchigen Geschmack und die lange Garzeit deutlich anders als unsere Gaumen es gewöhnt sind. Wir saßen an einem internationalen Tisch mit Australiern, Kanadiern und noch irgendeine Nationalität, an die ich mich nicht erinnern kann. Ehrlich gesagt, ist es auch völlig wurscht, weil es sich gezeigt hat, dass man mit Menschen aus allen Ländern gut quatschen kann. Mit den einen mehr, mit den anderen weniger, das liegt dann aber nicht an der Nationalität - sondern meistens an kommunikativen Fähigkeiten, die sich oft auch im Beruf widerspiegeln. Der Herr, der unsere Tischrunde inoffiziell geleitet hat, war verantwortlich für mehrere Einrichtungen für behinderte Menschen im Süden Australiens.


Selbst der Haka - der Kriegstanz der Maori war sehr gelungen, denn er wurde nicht von irgendwelchen Schaupspielern vorgeführt, sondern von den sympatischen Mitgliedern der lokalen Maori-Community, auf deren Gebiet auch einer der faszinierendsten Geysiere der Welt liegt. Der größte Geysir der südlichen Hemisphäre ist in Wolken gehüllt und lila beleuchtet vor uns aufgestiegen und hat geblubbert. Nebendran gibt es Treppenstufen, die von unten gewärmt werden - es war ein wunderschöner Abend!
Doch auch in Rotorua ist nicht alles so in Butter, wie es auf diesem Hangi erschien. Unsere britischen Gastgeber hatten uns vorgewarnt, dass in der Gegend sehr viele arme Menschen bzw. auch Menschen, die ihre Wohnungen beispielsweise während Covid verloren haben, von der Regierung in die vielen Motels in Rotorua gesteckt wurden. Auch, weil es einen erheblichen Mangel an erschwinglichem Wohnraum in Neuseeland gibt. Corona ist zwar in Neuseeland ziemlich rum, aber die Menschen sind geblieben. Wohin sollten sie auch? Tatsächlich haben wir in Roturua Probleme dieser missgestalteten Wohnungspolitik gesehen.

Nicht ganz so wohl haben wir uns tatsächlich auch außerhalb unserer nächsten Farm gefühlt im Nordosten der Nordinsel. Mal davon abgesehen, dass ich es ziemlich cool finde, wenn die Dorfjugend auf dem Pferd zum Subway reitet, war der nächstliegende Ort wirklich heruntergekommen. Ob die Jugendlichen nicht besser in der Schule aufgehoben gewesen wären, ist hier auch die Frage. Auf der Farm hat man uns dann erzählt, dass die Gegend durchaus berüchtigt ist für seine Gangs und Bandenkriminalität. Aber wenn man die Jungs, die mit aufgemotzten Motorrädern durch die Straßen fahren, freundlich grüßt, hätte man wohl nichts zu befürchten. Na, Prost Mahlzeit!

Wir hingegen haben uns innerhalb der größten Farm, die wir je gesehen haben, sehr wohl gefühlt; nach kleinen Anfangsschwierigkeiten, da unser Gastgeber John derzeit auf Keto-Diät war und Tobi und ich nicht eine Woche lang Hackfleisch und Eier zu jeder Tageszeit essen wollten. Aber John war sehr nett und hat uns einfach jede Menge Geld in die Hand gedrückt und zum Einkaufen geschickt. Was durchaus zu seinem Vorteil war, denn ab diesem Zeitpunkt haben wir die Regie in der Küche übernommen. Tatsächlich habe ich das aber gerne gemacht - denn John hat gleich nach der ersten gekochten Mahlzeit gesagt, wie dankbar er ist, dass er nach einem Tag langer Arbeit vor einem leckeren Essen sitzt :-).


Dennoch: die Farmzeit bei John war ein durchaus sehr alternatives Erlebnis. Mit allen Vor- und Nachteilen. Nachteil: Maus läuft durch die Küche. Vorteil: Man lernt Baggerfahren. Nachteil: spartanisches Bad. Vorteil: Wir durften einfach die 200 Kühe mit-melken, die übrigens nur einmal am Tag gemolken werden. Nachteil: Man muss selber Essen kochen. Vorteil: Man darf ohne Sattel die anwesenden Pferde reiten. Egal, ob man es kann oder nicht. Tobi hat sich klasse geschlagen, er ist sogar auf das Pferd aufgesprungen!!! Hanni hat sich hingegen gewundert, warum ihr Pferd nicht so schulmäßig reagiert. Als John sagte, super, die Pferde wurden nie geschult und sind ewig nicht geritten worden, war das dann auch geklärt.


John hat mit seinen super lieben Mitarbeiter*innen die 200 Milchkühe und ungefährt 100 Kälber gemanaget auf 100 Hektar. Nebenher hat er in den letzten Jahren einen Avocado-Garten angelegt und baut Kiwis an. Alles öko und mit einer unglaublichen Ruhe und Beständigkeit. Er hatte es im Leben wirklich nicht leicht, er kümmert sich auch noch um seine verrückte Mutter (seine Worte, sie ist wirklich sehr speziell gewesen) und hat es an einem bestimmten Zeitpunkt geschafft, all die Grantigkeit in echte Selbstliebe zu verwandeln. Wir haben sehr tiefgründige Gespräche geführt über Gott und die Welt. Und es ist beeindruckend zu sehen, wie John beispielsweise seine junge Angestellte auf der Farm fördert und ihr alles beibringt, vor allem Selbstvertrauen. Auch uns hat er wirklich beraten und intensive Gespräche mit uns geführt zu unserer künftigen Farm. Wir haben ihn dafür zu seinem neuen Logo beraten und zugeredet, dass er öko bleibt, auch wenn das in Neuseeland wenige finanzielle Vorteile bietet. Und dann haben wir noch nen Haufen Feuerholz produziert. Am meisten hat mich dabei gefreut, wie stolz Tobi auf mich war, als ich den Haufen Baumstämme, die kreuz und quer übereinander lag, mit der Motorsäge bezwungen hat. Und ich habe gestaunt, warum Tobi die riesigen Klötze mit der Axt auseinander bringt, wo meine Axt nicht mal drin hält, wenn ich mit voller Kraft draufhaue. Aber auch das hat Tobi mir beigebracht und mit dem richtigen Schwung, kriege ich jetzt auch einen gewissen Durchmesser gespalten.


Im Grunde war es bei John das echte Wwoof-Erlebnis. Man lebt und arbeitet zusammen, man darf alles ausprobieren und hilft bei allem. Sogar seinen Kälbchen durften wir mit Medizin versorgen. Auch wenn keiner von uns jemals vorher das Maul von einem Kalb aufgedrückt hat und eine lange Stange mit einer Tablette darin versenkt hat. Seit der Zeit auf dieser Farm sind übrigens kaum mehr Klamotten auch nur halbwegs sauber. Ich sage nur, auch neuseeländische Kühe können panik-schei***.


Und natürlich haben wir auch nichts dagegen gesagt, als wir auch auf dieser Farm mal wieder Süßkartoffeln ausgraben sollten. Hier war es etwas einfacher, da sie auf Hügeln gewachsen sind. Aber ja, wir können bestätigen, dass die Kumara-Ernte in diesem Jahr nicht so besonders ist und wir sie NIE anbauen werden ;-).


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