Australiens Tierwelt
Koala, Känguru und Co.

Und da saß er: der erste richtige Koala, den ich je gesehen habe. Wir waren nach Süden unterwegs, um die gesamte australische Ostküste zu besichtigen und bestimmt schon vier Wochen in Australien. Bis dato hatten wir keinen einzigen Koala gesehen. Daher haben wir beschlossen, egal, wie knapp unsere Zeit mit dem Mietwagen auch sein mochte, einen Ausflug auf Magnetic Island zu machen. Eine Insel, auf die vor vielen Jahren Koalas ausgesiedelt wurden, weil ihr Lebensraum auf dem Festland zunehmend in Gefahr geraten ist. Im Reiseführer und auf der Webseite der Insel stand: gehen sie wandern auf dem Rundwanderweg in der Mitte der Insel zu den ehemaligen Fort-Anlagen. Mit etwas Glück sehen Sie dort wilde Koalas in der Nähe des Wanderweges.
Alles klar, also: wir fahren erstmal in die richtige Stadt, suchen die Fähre, fahren vierzig Minuten durch tropisch blaues Wasser und schließlich noch mit einem Bus quer durch die Insel. Wir steigen aus bei heißen 35 Grad und machen uns auf den Weg; immer mit dem Blick nach rechts und links in die Bäume. Wir unterhalten uns, machen Witze über Wandern bei dieser Hitze und ich habe im Grunde nicht geglaubt, dass wir Koalas sehen werden. Vielleicht irgendwann im Süden.
Und dann sitzt er da im Baum. Ich greife nach Tobi und flüstere ihm leise zu: „Da, da ist einer!!!“ Dann schaue ich nochmal, sehe den niedlichsten Koala der Welt, der sowas von entspannt zwischen den Ästen hängt und schläft. Und dann habe ich einfach geweint. Ich war so überwältigt – vielleicht auch etwas von dem Auskurieren von Covid, der Hitze, der Reise und überhaupt – aber vor allem davon, dass es sie wirklich gibt. Diese flauschigen Tiere, die schon immer meine Lieblingstiere waren, seitdem ich ein Kuscheltier namens Koali hatte, das seine flauschigen Pfoten über seinem Bauch mit Klettverschluss geschlossen hatte und der völlig abgeknuddelt noch heute in meinem alten Kinderzimmer wohnt. Er war die Vorstellung schlechthin von einer Ferne, in der alles anders ist, die im Grund unerreichbar zu sein scheint, wo Tiere überleben, die 20 Stunden am Tag schlafen und die ich irgendwann, wenn ich groß bin, einmal besuchen werde. Vielleicht auch ein wenig ein Tier, das nur in meiner Phantasie existiert, dem ich all meine Sorgen, Tränen und Ängste anvertrauen konnte, die es in sein flauschiges Fell aufgenommen hat.
Wir haben dann noch einen weiteren Koala gesehen, der uns sogar hat zusehen lassen, wie er in aller Ruhe eine neue Schlafposition in einer Astgabel sucht. Absolut niedlich.
In Australien gibt es übrigens Tiere, von denen wir in Europa noch nie gehört haben. Oder kennt jemand einen Cassowarie? Uns waren diese Emu-Straußen-ähnlichen Vögel gänzlich unbekannt, damit sind sie faszinierend! Sie haben einen blau-roten Hals und Kopf und einen riesigen Boppel auf dem Kopf, mit dem sie harte Früchte knacken können. Es gibt sie nur in Papua-Neuguinea und in Australien und ehrlich gesagt, sieht man sie wohl sehr selten. Mal wieder ein Tipp aus dem Reiseführer: Fahren Sie an den Strand nach Etty Beach und mit etwas Glück sehen Sie einen Cassowary. Nun, wir hatten Glück – mitten auf der Straße lief ein ausgewachsener Vogel mit seinem Nachwuchs herum (noch flauschig hellbraun). Die Tiere werden durchaus so groß wie ein Mensch und können ziemlich aggressiv sein. Wir sind absolut stillgestanden, als sie auf uns zugewackelt gekommen sind. Eieiei, mehr Interesse hatten sie dann an unserem Auto, in dem sie sich spiegeln und denken, dass dort weitere Cassowaries sind. Auf jeden Fall eine neue Entdeckung in unseren tierischen Begegnungen.
Und dann wären da noch die Schildkröten. Neben den entzückenden kleinen Seeschildkröten gibt es an Australiens Küsten auch große Meeresschildkröten. Und irgendwo hatte ich gelesen, dass es ein tolles Schutzgebiet mit Nachtführungen zu brütenden Schildkröten gibt – alles unter Aufsicht von Biologen. Wir waren gelinde gesagt etwas spät dran, die Führungen waren für die nächsten drei Wochen ausgebucht. Aber mit Wartelisten, nervigen Anrufen an allen möglichen Stellen haben wir auf einmal einen Rückruf bekommen, dass wir genau an diesem Abend, wo wir in der Nähe zelten wollten, einen Platz bekommen würden.
Krass – so war unser Fazit. Wir hätten nie gedacht, dass wir a) je im Leben die Eiablage von Schildkröten hautnah beobachten können b) das ganze so wundervoll begleitet wird, so dass die Schildkröten nur minimal (und das müssen die Forscher ohnehin) beeinträchtigt werden und c) dass sie wirklich so groß und majestätisch sind.
Zunächst waren wir geschockt, dass so viele Menschen, ca. 100 Personen, zum Infozentrum am Mon Repos Beach kommen durften. Ich habe schon das Schlimmste für die Schildkröten befürchtet. Aber: nach einem kurzen, informativen Vortrag konnte man durch das echt coole Infozentrum zu den Meeresschildkröten schlendern oder Videobeiträge ansehen, während man darauf gewartet hat, dass die eigene Kleingruppe aufgerufen wird. Als es bei uns soweit war, war es schon dunkel und um das Zentrum gibt es nur wenige rote Lampen, damit die Schildkröten nicht von der Lichtverschmutzung in die falsche Richtung gelockt werden. Wir folgten unserer Rangerin alle im Gänsemarsch an der Wasserkante über den Strand entlag, um die bereits brütenden Schildkröten nicht zu stören. Keine Taschenlampen, aber es war fast Vollmond und somit richtig hell. Wir sind in einem großen Bogen in Richtung „unserer“ Schildkröte gelaufen; sie hört unsere Geräusche tatsächlich nicht und kann im Rücken nichts sehen. Also durften wir uns von hinten nähern, sobald sie mit der Ei-Ablage in ihr vorher gegrabenes Sandloch angefangen hat. Davor sind die Schildkröten sehr schreckhaft, aber wenn sie einmal mit der Ablage begonnen haben, hören sie nicht auf und die Forscher können zu den Tieren gehen, ihre Nummern ablesen, den Panzer vermessen, nach Verletzungen schauen und schließlich auch die Eier zählen. Daher dürfen Interessierte mitkommen, wenn sie sich adäquat verhalten. In einem sehr kurzen Zeitraum sind Fotos erlaubt, sogar mit Blitz – auf meine Nachfrage, ob das wirklich nicht stört, haben wir plausible Antwort bekommen, dass die Schildkröten die Fotos mit Blitz wie ein Gewitter wahrnehmen, vor dem sie keine Angst haben. Nachdem die Schildkröte mühsam, aber in aller Ruhe ihre Eier mit Sand zugedeckt hat, ist sie den Strand hinunter und schließlich ins dunkle, unendliche Meer verschwunden.
Das Info- und Forschungszentrum leistet wirklich coole Arbeit, ich war beeindruckt, wie gut man Öko-Tourismus gestalten kann! Mit ihrer Forschung (Auflistung aller Tiere, Brutzeiten, Versorgung kranker Tiere) über fünfzig Jahre konnten sie belegen, dass die riesigen Fischerboote mit ihren Netzen vor der australischen Küste erheblich zur Dezimierung der Schildkrötenpopulation beitragen. Diese Daten haben dazu geführt, dass nach zehn Jahren Gerichtsprozess die Boote andere Netze verwenden müssen, aus denen die Schildkröten nach oben herausschwimmen können. Seit Anfang der 2000er ist endlich wieder eine Zunahme an Schildkröten am Mon Repos Beach zu verzeichnen.
Ps: An den australischen Stränden findet man so gut wie kein Plastik. Das Meeresschildkröten-Infozentrum verzeichnet neben den Schildkröten übrigens auch, dass viele Kinder, die einmal die Nachttour besucht haben, später wiederum mit ihren Kindern kommen. Was für ein Erfolg!