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Gefühltes Leben

Hanni • 15. August 2022

Intensiv, bunt, schmackhaft


Warm fühlen sich unsere Kühe an, wenn wir zwischen ihnen stehen und sie für das Melken am Euter putzen.


Nach Kräutern und nach unseren Kühen duftet und schmeckt die Milch, die wir jeden Tag ausschenken.


Kehlig wird die Stimme, wenn wir nach Gela, Ella, Buddal, Flocke, Amsel, Glückei, Stolzei und Nagei rufen und den Eimer mit Futter schütteln.


Schwer sind die Arme, nachdem wir eine halbe Tonne Käse mit Salzlake eingeschmiert haben.


Und glücklich sind wir, wenn wir vor unserer Alm sitzen und die Berge im Sonnenuntergang rötlich schimmern sehen.



Plötzlich führen wir ein anderes Leben – und man merkt das nicht nur am Ortswechsel oder an der neuen Berufsbezeichnung. Wir spüren die Veränderung tatsächlich jeden Tag mit allen Sinnen. Das kann übrigens auch manchmal unangenehm sein ;-), zum Beispiel wenn Hände oder Rücken täglich schmerzen. Oder als ich nach ungefähr drei Wochen auf der Alm einmal unten im Tal beim Essen war und mir zufällig meine Hände in den Blick gefallen sind. Der rechte Zeigefinger hatte eine dicke Hornhaut bekommen und die war auch noch verdammt dreckig. Ich bin so was von erschrocken! Gleichzeitig habe ich aber auch ein Gefühl von Stolz empfunden – endlich habe ich eine Arbeit, wo man sich im wahrsten Sinne des Wortes die Hände schmutzig macht für eine lebensnotwendige Sache.


Eine alte Freundin aus meinem Fußballverein ist neulich hier auf die Alm gewandert und zum Abschluss sagte sie: „Für uns Fußballer ist das hier eigentlich genau das Richtige. Man wird dreckig, man setzt sich für etwas ein mit voller Kraft und es ist egal, wie man dabei aussieht!“


Aber nicht nur den Dreck, den Mist, die Kuhscheiße, die Flecken vom Käse und von der Molke auf der Kleidung sieht man – es gibt auch so viel Schönes, das man hier einmal nicht nur durch das Sehen aufnimmt, sondern das man mit seiner Haut fühlen kann. Die schönsten Momente des Tages sind die, in denen ich die Kühe streichle, striegle, sie an meiner Hand schnuppern (und dann manchmal mit voller Schlonze abschlabbern), in denen ich sie kraule, in denen sie mich zwischen sich einquetschen im Stall oder wenn das kleinste Kälbchen oder auch die ausgewachsene Jungkuh ihren Kopf auf meine ausgestreckten Arme legen. Das Glücksgefühl und die innere Zufriedenheit, die ich dabei spüre, haben nicht nur etwas mit dem flauschigen Fell zu tun; sondern vor allem, weil ich das Vertrauen und die ganz besondere Verbindung zu den Tieren spüre. Wir haben neulich diskutiert: sind die Kühe wie Freunde? Wie Familienmitglieder? Aber all das passt nicht richtig, ich glaube, es ist eine ganz andere, enge Verbindung, die zwischen Menschen und Tieren entstehen kann. Ich bin mir sicher, dass es auch hier ein gegenseitiges Wohlwollen gibt, das man spürt und das durch das Zusammenleben auf der Alm entsteht. Nicht tiefgründige Gespräche oder eine lange gemeinsame Vergangenheit sind die Basis wie bei menschlichen Freundschaften, sondern die Wochen auf der Alm, in denen wir den Kühen mit Respekt, mit Freude und mit der Sorge um ihr Wohlergehen begegnen.


Nun zu den weiteren Sinnen: bei unserem Leben auf der Alm spielen übrigens auch unser Gehör, unser Geschmackssinn und unsere Stimmen eine erhebliche Rolle. Bei Nebel können wir unsere Kühe zwar durch eine ungefähre Angabe auf der GPS-App orten; aber um alle zu finden, muss man sich manchmal sehr auf sein Gehör verlassen. Dafür sind Kuhglocken übrigens notwendig. Die Alternative wäre, alle Kühe mit einem GPS-Gerät auszurüsten, was auch ressourchentechnischen Gründen aber auch nicht sinnvoll erscheint. Abends hören wir unsere Kälbchen dann im Stall unter uns leise klingeln. Oder auch nicht, nämlich dann, wenn sie ihren Kopf auf ihre Beine legen oder auf die Nebenkuh und selig schlummern.


Da Rufen nach den Kühen, damit sie lernen, auch dann zu kommen, wenn sie nicht der persönliche Abholservice einzeln einsammelt, fällt eher unter die Kategorie „unangenehme sinnliche Wahrnehmung“. Tobi und ich brüllen morgens und abends was das Zeug hält, damit unsere Kühe endlich lernen, von selbst zum Stall zu kommen. Dazu schüttelt man noch einen Eimer mit Kraftfutter – auf was sie am Ende hören, ist uns völlig egal, solange irgendetwas den gewünschten Effekt hat. Immerhin, die Jungkühe haben die Verbindung von Rufen, Eimer und leckerem Fressen am Stalltor schon ziemlich verinnerlicht. Die ältere Generation ist da etwas langsamer…


Das Rufen führt übrigens auch dazu, dass einen eine Horde sonnenanbetender Menschen, die doch tatsächlich freiwillig um fünf Uhr morgens an unserem Gipfelkreuz stehen, ganz schön belämmert guckt, wenn unsere Rufe den romantischen Blick energisch durchhallen. So hatten sie sich ihren Ausflug vermutlich nicht vorgestellt!


Oh, und ich habe etwas vergessen: neulich stand ein kleines Mädchen vor unserer Ausschank-Tür und hat sich die Nase zugehalten. Ich habe länger gebraucht, um überhaupt zu verstehen, warum. Schließlich habe ich gesagt, dass es ohne den Geruch vom Kuhstall eben auch keinen Käse und keine Milch gibt. Ich war wirklich etwas traurig und entsetzt. Für das Kind war der Geruch scheinbar nicht auszuhalten! Der Geruch, der hier unser Leben begleitet – aber der am Ende dieses Blogeintrags steht. Weil ich ihn völlig vergessen habe.



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